Der Online-Handel in Deutschland und Europa steht möglicherweise vor einem Umbruch. Mit den E-Commerce-Giganten Alibaba und JD.com planen chinesische Händler den Einstieg in den europäischen Markt.

Unruhige Zeiten für Amazon und Co.

Deutsche Online-Händler hatten bislang einen mächtigen Konkurrenten aus Übersee: Amazon. Während das amerikanische Online-Kaufhaus mit über 240 Millionen Produkten bislang die unangefochtene Nr. 1 auf dem deutschen E-Commerce-Markt ist, könnten in naher Zukunft zwei weitere Mitbewerber aus Fernost den deutschen Online-Händlern das Leben schwer machen. Nicht nur auf Amazon, auch auf Zalando, Otto und Co. kommen voraussichtlich unruhige Zeiten zu. Die chinesischen Online-Händler Alibaba und die Nr. 2 im Reich der Mitte JD.com planen den Eintritt in den europäischen Markt. Nach Informationen des „Handelsblattes“ bauen beide Internethändler derzeit die Logistik für einen raschen Markteintritt auf. Alibaba plant bis zum Jahresende 2018 die Eröffnung eines Logistikzentrums in Prag. Die Belieferung deutscher Kunden wäre damit kein Problem mehr.

Alibaba – vergleichbares Geschäftsmodell wie eBay

Das Geschäftsmodell von Alibaba ähnelt dem des amerikanischen Konkurrenten eBay. Unter der Domain alibaba.com betreibt das chinesische Unternehmen eine Handels- und Kommunikationsplattform und tritt nicht selbst als Händler in Erscheinung. Eigenen Angaben zufolge umfasst der Kundenstamm 53 Millionen Benutzer in mehr als 240 Ländern und Regionen. Die europäischen Aktivitäten des E-Commerce-Riesen beschränkten sich bislang auf den Vertrieb europäischer Produkte in China. Mit der Ausweitung seiner Aktivitäten will der Konzern Produkte auch in Europa verkaufen, indem er Händlern dafür einen Online-Marktplatz zur Verfügung stellt.

Finanzielle Engpässe drohen nicht, denn die Kassen sind gut gefüllt. Alibaba wächst wie der Mitbewerber JD.com um knapp 50 Prozent jährlich. Aussagen des Alibaba-Gründers Jack Ma zufolge ist es das erklärte Ziel des Unternehmens, jeden Haushalt in jedem Winkel der Welt binnen 72 Stunden zu beliefern. Allein die Investitionen in die Logistik belaufen sich bis zum Jahr 2023 auf 13 Milliarden Euro. Alibaba bringt mit dem Eintritt in den europäischen Markt seinen eigenen Ökokosmos mit. Die Shoppingplattform Tmall ist beispielsweise mit dem Bezahldienst Alipay verknüpft. Millionen Chinesen nutzen das System ganz selbstverständlich. Selbst eine führende deutsche Drogeriemarktkette bietet das Bezahlsystem bereits für Touristen aus China an.

JD.com – Mitbewerber für Amazon und Co.

Im Gegensatz zu Alibaba verfogt JD.com eine andere Strategie. Der chinesische Online-Händler ist mit Amazon vergleichbar, da das Unternehmen auch selbst Produkte an Endverbraucher verkauft. Gemessen am Umsatz ist JD.com die Nummer 2 am chinesischen Markt hinter Alibaba. Die Plattform ging mit der Domain JD.com im Jahr 2004 online und verzeichnet wie der chinesische Mitbewerber Zuwachsraten von mehr als 40 Prozent im Jahr. In China liegt die gesamte Logistik von der Lagerhaltung bis hin zur Transporterflotte in der Hand von JD.com. Verfolgt das Unternehmen in Europa die gleiche Strategie, wird es nicht ohne Zukäufe gehen, meinen Experten. Unabhängig davon, mit welcher strategischen Ausrichtung die chinesischen E-Commerce-Giganten in den europäischen Markt eintreten, die Luft für deutsche Online-Händler dürfte in der Zukunft noch dünner werden. Neben Amazon werden auch Zalando und Otto die neue Konkurrenz ernst nehmen müssen. Der Versandhausriese aus Hamburg hatte erst kürzlich angekündigt, keine Kataloge mehr zu drucken, sondern den Fokus voll und ganz auf das Online-Geschäft legen zu wollen.